• Ein Mann entfernt Schimmelbefall an einer Wand

IPA Journal 01/2025

Medizinisch-klinische Diagnostik bei Schimmelpilzexposition in Innenräumen

Evidenzbasierte aktualisierte Leitlinie

Bei Schimmelpilzbefall in Innenräumen, zum Beispiel in Wohnräumen und an Arbeitsplätzen, ist es wichtig, das potenzielle Gesundheitsrisiko zu erkennen. Welche Zusammenhänge zwischen Schimmelexposition, Erkrankungen und den medizinisch klinischen diagnostischen Möglichkeiten bestehen, wird in der aktualisierten S2k-AWMF-Leitlinie „Medizinisch klinische Diagnostik bei Schimmelpilzexposition in Innenräumen“ dargestellt.

Die aktualisierte AWMF-Leitlinie „Medizinisch klinische Diagnostik bei Schimmelpilzexposition in Innenräumen“ beschreibt detailliert evidenzbasierte Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge und daraus ableitbare sowie nicht zielführende diagnostische Verfahren (Hurraß et al. 2024). Um gesundheitliche Probleme abzuklären, ist die allergologische Diagnostik von zentraler Bedeutung. Sie basiert auf der Anamnese und ergänzenden Tests, wie Hauttestungen und Blutuntersuchungen ( Abb. 1).

Bei Schimmelschäden in Innenräumen, dabei kann es sich nicht nur um Wohnräume, sondern auch um Innenraumarbeitsplätze und Bildungseinrichtungen handeln, können neben Schimmelpilzen auch andere Komponenten wie Bakterien, Hefen, Milben sowie ihre Bestandteile bei Feuchteschäden/Schimmelbefall eine Rolle spielen. Daher werden unter dem Begriff „Schimmel“ all diese verschiedenen Organismen und Komponenten, die in Innenräumen vorkommen, zusammengefasst. Gesundheitsbezogene Richtwerte gibt es nicht und können aufgrund der heterogenen Zusammensetzung auch nicht festgelegt werden.

Das gesundheitliche Risiko, das von Schimmelschäden ausgeht, ist stark von der individuellen Disposition abhängig. So sind Asthmatikerinnen und Asthmatiker sowie Menschen mit Atemwegserkrankungen meist stärker betroffen als Gesunde. Der Leidensdruck der Betroffenen ist häufig groß, während die diagnostischen Methoden zur Abklärung individueller Krankheitsbilder durch Schimmelexposition bislang eher unzureichend sind. Darüber hinaus ist der Sektor „Schimmel/Schimmelpilze“ im Bereich der Innenraumdiagnostik ein kommerziell interessantes Gebiet. Daher gibt es eine Vielzahl von diagnostischen Untersuchungen, die angeboten werden, aber nicht immer zielführend sind. Dieses trägt zur Verunsicherung der Betroffenen bei.

  • Stufendiagramm Allergiediagnostik

Zentrale Aussagen der Leitlinie

Für die aktualisierte Leitlinie, in die auch das IPA seine Expertise eingebracht hat, wurde die wissenschaftliche Literatur bis Juni 2022 recherchiert. Insgesamt wurden fast 23.000 Literaturstellen zu Schimmelbelastung, Krankheiten, Diagnostik, Prävention und Behandlungsmöglichkeiten ausgewerten“ des Umweltbundesamtes bietet hier Orientierung. Die zentralen Aussagen der Leitlinie sind nachfolgend zusammengefasst:

  1. Schimmelbefall in Innenräumen sollte aus Vorsorgegründen nicht toleriert werden. Daher sind die Ursachenklärung und sachgerechte Sanierung zeitnah erforderlich. Der „Leitfaden zur Vorbeugung, Erfassung und Sanierung von Schimmelbefall in Gebäuden" des Umweltbundesamtes bietet hier Orientierung.
  2. Schimmelpilzmessungen im Innenraum sind selten medizinisch sinnvoll. Bei sichtbarem Schimmelbefall kann auf die Bestimmung der Schimmelpilzspezies verzichtet werden.
  3. Umweltmonitoring von Schimmelpilzgiften (Mykotoxinen) sowie flüchtigen Schimmelpilzkomponenten in der Innenraumluft und im Hausstaub haben keine Indikation in der medizinischen Diagnostik bei Schimmelexposition. Ebenso hat das Human-Biomonitoring von Mykotoxinen keine Indikation bei Schimmelexposition und soll nicht durchgeführt werden.
  4. Schimmelexpositionen können zu Schleimhautreizungen, Geruchswirkungen und Befindlichkeitsstörungen führen, sowie Allergien und Schimmelpilzinfektionen (Mykosen) verursachen.
  5. Ärztinnen und Ärzte sollen Betroffene sachlich über den Stand des Wissens informieren, wenn kein Zusammenhang zwischen Feuchte/Schimmelschäden und bestimmten Erkrankungen besteht. Schimmelpilzallergikerinnen und -allergiker sowie Personen mit geschwächtem Immunsystem sollen über die Gefahren von Schimmelexpositionen und entsprechende Präventionsmaßnahmen aufgeklärt werden.
  6. Besonders zu schützende Risikogruppen sind Personen unter Immunsuppression, mit schwer verlaufender Influenza oder COVID-19, Mukoviszidose und Asthma bronchiale.
  7. Viele Schimmelpilzarten können Sensibilisierungen und Allergien hervorrufen. Ihr allergenes Potenzial ist aber insgesamt geringer als bei anderen Inhalationsallergenen.
  8. Kernelemente der Typ I-Allergiediagnostik sind Anamnese, Hauttestung, Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper im Blut und Provokationstestung (Abb. 1). Bei der allergischen bronchopulmonalen Aspergillose (ABPA) sollten zusätzlich spezifische IgG-Antikörper bestimmt werden; bei der exogenen allergischen Alveolitis (EAA) nur spezifische IgG-Antikörper.
  9. Atopikerinnen und Atopiker haben häufiger IgE-Sensibilisierungen gegen Schimmelpilze, allerdings nicht zwingend klinische Symptome. Der Nachweis von spezifischem IgE oder eine positive Hauttestreaktion bedeuten nur eine spezifische Sensibilisierung, nicht zwangsläufig eine klinisch relevante Allergie. Allerdings schließt ein negatives Ergebnis bei Hauttestung oder spezifischer IgE-Testung eine Sensibilisierung auf Schimmelpilze nicht sicher aus. Basophilen-Degranulationstest beziehungsweise -Aktivierungstest, Histaminfreisetzungstest und andere Mediatorentests sollen nicht in der Basis-Allergiediagnostik durchgeführt werden.
  10. Nicht geeignet zum Nachweis einer Schimmelpilzsensibilisierung vom Typ I und daher nicht durchgeführt werden sollen: Lymphozytentransformationstests (LTT) auf Schimmelpilze, Vollbluttest (VBT), spezifische IgG-Antikörper, Eosinophiles Kationisches Protein (ECP) und β-1,3-D-Glucan (BDG) im Serum.
  11. Aufgrund unzureichender wissenschaftlicher Evidenz sollten folgende diagnostische Methoden bei Schimmelexposition nicht durchgeführt werden: Nachweis von Schimmelpilzen im Blut, Bestimmung von IgA-Antikörpern gegen Schimmelpilze, Bestimmung von Lymphozyten-Subpopulationen, Zytokinen, oxidativem Stress, Visual Contrast Sensitivity Test (VCS-Test), Tränenfilmabrisszeit.
  12. Folgende diagnostische Methoden sollen mangels wissenschaftlicher Grundlagen bei Schimmelexposition nicht durchgeführt werden: Elektroakupunktur nach Voll, Bioresonanzverfahren, Pendeln, Vega-Test, Decoder-Dermographie, Biotonometrie, Biotensor, Kirlianfotografie, Regulationsthermographie nach Rost, Aurikulodiagnostik, Kinesiologie, Auraskopie, Irisdiagnostik, zytotoxische Bluttests, Provokations- und Neutralisationstest (PN-Test).

Empfohlene diagnostische Testverfahren

Grundsätzlich gelten für die Diagnose einer Schimmelpilzallergie die gleichen Empfehlungen und Richtlinien wie für andere berufliche Allergenquellen, die als Ursachen einer Soforttyp-Allergie bekannt sind (Raulf 2009; Raulf & Kespohl 2024). Das klassische Stufendiagramm der Typ I-Allergie Diagnostik bei Verdacht auf eine beruflich bedingte Allergie umfasst – unter Berücksichtigung individueller Faktoren – Anamnese/klinische Befunde/klinische Untersuchung, Hauttestung (Prick), serologische IgE-Analyse oder zusätzliche In-vitro-Testverfahren, Provokationstestung (Abb. 1).

Wie bei anderen beruflichen Allergenquellen ist es wichtig, die allergische Reaktion zu bestätigen und im Einzelfall den ursächlichen Schimmelpilz zu identifizieren. Es gibt eine Vielzahl von In-vitro-Tests, die Parameter der zellulären und humoralen allergischen Reaktion auf verschiedenen Ebenen erfassen. Sowohl ein positives Hauttestergebnis als auch erhöhte spezifische IgE-Konzentrationen können auf eine Sensibilisierung gegenüber Schimmelpilzallergenen hinweisen, dies ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer allergischen Erkrankung. Nur in Verbindung mit typischen allergischen Symptomen, die in der Anamnese dokumentiert sind, und/oder durch einen positiven organspezifischen Provokationstest nachgewiesen wurden, zeigt sich eine klinisch relevante Allergie (Raulf 2009).

Für die Diagnostik von IgE-vermittelten Allergien ist der Hautpricktest ein wichtiges und unverzichtbares Testsystem. Es ist kostengünstig, minimal-invasiv und wenn standardisiert (Leitlinien-konform) durchgeführt, gut reproduzierbar. Die Ergebnisse liegen unmittelbar vor und sind auch für die getesteten Patientinnen und Patienten sichtbar. Allerdings wird die Palette der verfügbaren Allergentestextrakte zunehmend geringer. Dies gilt insbesondere für ‚seltene Allergene‘, zu denen Berufsallergene, aber auch Schimmelpilze gehören. Ein weiteres Phänomen der Schimmelpilz-Hautpricktest-Lösungen, die auf biologischen Gesamtextrakten basieren, ist die Variabilität des Proteinspektrums. Inwieweit diese Varianzen einen Effekt auf die Ergebnisse der Hautpricktestung haben, wurde in einer multizentrischen Studie untersucht (Kespohl et al. 2016). Testlösungen mit hohem Antigengehalt zeigten eine bessere Übereinstimmung der Hautpricktest-Ergebnisse und erzielten eine bessere Übereinstimmung zwischen Hauttestung und IgE-Serologie. Insgesamt war die Hautpricktestung sensitiver als die serologische IgE-Bestimmung.

Da der Nachweis von schimmelpilzspezifischen IgE-Antikörpern im Blut oftmals der einzige verfügbare Allergentest ist, wurde als optimale Schimmelpilzallergiediagnostik eine Kombination aus Hautpricktestung plus der serologischen IgE-Bestimmung gegen Schimmelpilzmischung mx1 beschrieben (Kespohl et al. 2016). Auch die Verwendung von Schimmelpilzmischung mx1 als serologisches „Screening-Werkzeug“ zum Nachweis potenziell allergischer, schimmelpilzassoziierter Atemwegssymptome wurde bestätigt (Kespohl et al. 2022). Wenn erhöhte schimmelpilzspezifische IgE-Konzentrationen nachweisbar sind, sollte die ursächliche Expositionsquelle – entweder innen oder außen – überprüft werden. Zudem sollten mögliche Ko-Sensibilisierungen wie Gräserpollen oder Hausstaubmilben, die eine überlappende Allergenexposition darstellen, untersucht werden.

Insgesamt war und ist die Standardisierung von Pilzextrakten schwierig. Sie wird aber – ebenso wie die weitere Identifizierung von Schimmelpilzallergenen – von entscheidender Bedeutung für die Verbesserung der Allergiediagnose und -therapie sein.

Fazit

Schimmelpilze sind sehr weitverbreitet. Sie kommen in Innenräumen und an unterschiedlichen Arbeitsplätzen vor und stellen eine sehr komplexe Allergenquelle dar. Eine Schimmelbelastung in Innenräumen ist sowohl für die Betroffenen als auch für viele Ärztinnen und Ärzte mit einer großen Verunsicherung hinsichtlich der Vielfalt und Zuordnung der gesundheitlichen Beschwerden zur Exposition verbunden. Die diagnostischen Möglichkeiten sind beschränkt und das Spektrum der zur Verfügung stehenden Hauttestextrakte für den Nachweis einer Sensibilisierung ist lückenhaft und bedarf dringend einer Erweiterung.

Kurz gefasst

  • Schimmelbefall in Innenräumen stellt ein potenzielles Gesundheitsrisiko dar.
  • Das gesundheitliche Risiko, das von Schimmelschäden ausgeht, ist stark von der individuellen Disposition und den Vorerkrankungen abhängig.
  • Die diagnostischen Methoden zur Klärung individueller Krankheitsbilder im Zusammenhang mit einer Schimmelexposition sind beschränkt.

Autorinnen

Die Verfasserinnen des Artikels

Dr. Sabine Kespohl
Prof. Dr. Monika Raulf
IPA

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AWMF S2k-Leitlinie

Leitlinien sind wichtige Instrumente der Qualitätsentwicklung im Gesundheitswesen und haben das Ziel, die medizinische Versorgung zu verbessern. Dieses geschieht durch die Vermittlung von aktuellem Wissen, das durch systematische Sichtung und Bewertung der vorhandenen wissenschaftlichen Beweislage zusammengetragen wird. Medizinische Fachgesellschaften werden bei der Erstellung der Leitlinien durch die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) beraten und unterstützt. Diese Leitlinien sollen Ärztinnen und Ärzten, Angehörigen weiterer Gesundheitsberufe sowie Patientinnen und Patienten helfen, fundierte Entscheidungen zur angemessenen Versorgung bei spezifischen Gesundheitsproblemen zu treffen (https://www.awmf.org/leitlinien). Sie bieten klare Handlungsempfehlungen und berücksichtigen dabei Nutzen und Schaden alternativer Vorgehensweisen. Nach der Systematik der AWMF steht S2k für eine Leitlinie („k“), die einen strukturierten Prozess der Konsensfindung durchlaufen hat.