Vom 13. bis 14. November 2024 fand im Bergbaumuseum Bochum das 3. DGUV Fachgespräch Allergien statt. Rund 70 Teilnehmende informierten sich über die Herausforderungen bei der Diagnostik von beruflichen Allergien und Allergenexpositionen an Arbeitsplätzen.
Weltweit nimmt die Zahl allergischer Erkrankungen zu. Berufsbedingte Haut- und Atemwegsallergien zählen in Deutschland zu den häufigsten Berufskrankheiten. Deshalb stellen Allergien ein wichtiges Themenfeld für die Präventionsarbeit der Unfallversicherungsträger dar.
Das Hauptaugenmerk von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit liegt in der Primärprävention, also der Vermeidung von Sensibilisierungen beziehungsweise Allergien durch Arbeitsstoffe.
Prof. Thomas Brüning betonte in seiner Einführung in die Thematik, dass Veränderungen in Arbeitsprozessen, neue Technologien und/oder neue Arbeitsstoffe, auch im Zusammenhang mit Klimawandel und Nachhaltigkeitsgedanken, zu neuen Allergenbelastungen an Arbeitsplätzen führen können. Die Folge sind häufig Sensibilisierungen und Allergien bei den Beschäftigten. Für eine gezielte Individualprävention ist die Ursachenklärung und eine entsprechende Diagnostik deshalb erforderlich.
Das Themenspektrum des 3. DGUV Fachgesprächs umfasste neue Auslöser beruflicher Allergien, die entweder durch Auswirkungen des Klimawandels oder durch Lebensstilveränderungen und damit zu veränderten Produktionsweisen führen können. Aber auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie im Hinblick auf diagnostische Möglichkeiten beim PostCOVID-Syndrom durch den Einsatz von Biomarkern wurden vorgestellt.
Testallergene aus dem IPA für die Diagnostik beruflich bedingter Allergien
Testallergene zur Diagnostik sind Basisinstrumente für den Nachweis von Typ I- und Typ IV-Allergien. Infolge der strengeren regulatorischen Anforderungen sind diese immer seltener verfügbar. Dies gilt insbesondere für seltene Allergene, zu denen auch die Berufsallergene gehören.
Dr. Johanna Jansen-Kamp vom Landeskriminalamt NRW (LKA) stellte gemeinsam mit Dr. Ingrid Sander vom IPA den Fall eines Beschäftigten des LKA aus dem Bereich Labor vor. Bei der Analyse von sichergestelltem Cannabis sativa entwickelte er einen Fließschnupfen und eine Urtikaria. In seiner Freizeit war er beschwerdefrei. Es wurde eine Anzeige auf Verdacht einer Berufskrankheit nach Nummer 4301 „Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen“ gestellt. Da der Beschäftigte eine Sensibilisierung auf Birkenpollen aufwies und Kreuzreaktionen mit dem Hauptallergen des Hanfs bekannt sind, musste zunächst eine berufliche Verursachung nachgewiesen werden. Im IPA erfolgte die Untersuchung von IgE-Antikörpern im Serum des Beschäftigten gegen einzelne am IPA verfügbare Allergenkomponenten des Hanfs und die Untersuchung einer Cannabis-Probe vom Arbeitsplatz. Trotz primärer Birkenpollensensibilisierung konnte die berufliche Verursachung der Beschwerden am Arbeitsplatz durch die Sensibilisierung gegen Cannabis sativa und gegen das Hanfallergen Can s 5 nachgewiesen werden.
Immer häufiger werden Brotprodukten Inhaltsstoffe beigemischt, um ihre Ernährungsbilanz zu optimieren. Oftmals stößt man dabei auf bislang noch wenig bekannte Backzutaten und alternative Rohstoffe, die möglicherweise allergische Reaktionen bei Beschäftigten in Bäckereien hervorrufen können. Dr. Christian Eisenhawer, IPA, schilderte den Fall eines Bäckers mit Atemwegsbeschwerden. Hier zeigte sich, dass er auf die sogenannte Kastanienerbse, die zu den Hülsenfrüchten zählt, allergisch reagierte. Wie auch andere Hülsenfrüchte wird die Kastanienerbse als Weizen-Ersatz Brotprodukten zugesetzt. Mithilfe der am IPA hergestellten Allergenextrakte und Allergentestlösungen aus den Arbeitsplatzproben, gelang der eindeutige Nachweis der Sensibilisierung gegen das Berufsallergen. Aus diesem und einem positiven inhalativen Provokationstest mit Kastanienerbse wurde die berufliche Verursachung dargelegt und es folgte die Anerkennung einer BK-Nr. 4301. Zur Prävention wird für den Versicherten eine Umschulung angestrebt.
Wassergemischte Kühlschmierstoffe können mikrobiell kontaminiert sein und dann eine beruflich erworbene Atemwegserkrankung wie Asthma und die exogen allergische Alveolitis – auch Maschinenarbeiterlunge genannt – auslösen. Dr. Sabine Kespohl, IPA, stellte das Kooperationsprojekt des IPA mit der Berufsgenossenschaft Holz und Metall und dem Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) vor. Ziel des Projektes war es, ein Antigen-Testpanel für die serologische IgG-Bestimmung bei Verdacht auf eine Maschinenarbeiterlunge zu etablieren.
Enzymstäube stellen ein hohes Risiko für allergische Atemwegserkrankungen dar. Dr. Ingrid Sander, IPA, berichtete über den Fall eines Metzgers, der bei der Arbeit Niesen und Husten sowie Luftnot, Naselaufen und Quaddelbildung der Haut entwickelte. Bei der Analyse der verschiedenen Expositionen am Arbeitsplatz zeigte sich, dass er unter anderem Fleisch mit dem Enzym Transglutaminase behandelte. Durch die am IPA entwickelten Allergenextrakte konnte eine Sensibilisierung gegen Transglutaminase und eine berufliche inhalative Allergie mit Asthmasymptomatik im Sinne einer BK-Nr. 4301 diagnostiziert werden.
Aufgrund ihrer positiven CO2-Bilanz gewinnen Insekten als Proteinquelle in Lebensmitteln an immer größerer Bedeutung. Deren Herstellung kann aber mit allergischen Risiken beim Verzehr sowie für Beschäftigte in der lebensmittelverarbeitenden Industrie verbunden sein. Prof. Thomas Henle von der TU Dresden stellte in seinem Vortrag den Fall einer Beschäftigten in einem Forschungslabor der Lebensmittelchemie vor. Sie entwickelte während der lebensmitteltechnischen Aufbereitung von Mehlwürmern (Tenebrio molitor) eine allergische obstruktive Atemwegserkrankung. Gemeinsam mit dem IPA wurden auch hier Allergenextrakte und Allergentestlösungen hergestellt und bei der Diagnostik eingesetzt, so dass eine beruflich bedingte allergische Erkrankung als gesichert angenommen werden konnte. Gemeinsam mit der Unfallkasse Sachsen wurden entsprechende Präventionsmaßnahmen entwickelt und umgesetzt, so dass die Beschäftigte an ihrem Arbeitsplatz verbleiben konnte.
quellen sind vielfältig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass laufend neue berufliche Sensibilisierungsquellen hinzukommen. Dies kann durch veränderte Arbeitsprozesse, die Einführung neuer Produkte und Technologien der Fall sein. Auch der Klimawandel beeinflusst das berufliche Allergiegeschehen. Hieraus ergeben sich viele Einzel- und Spezialfälle, die die Allergiediagnostik vor große Herausforderungen stellt. In ihrem Vortrag ging Prof. Monika Raulf, IPA, auf den Nutzen der molekularen Allergiediagnostik ein. Voraussetzung für eine komponentenbasierte Diagnostik ist die Charakterisierung der Allergenquelle und die Herstellung von relevanten Einzelproteinen. Vorgestellt wurden verschiedene erfolgreiche Einsätze der molekularen Allergiediagnostik aus dem IPA. Dazu gehören die rekombinante Herstellung sowie der Einsatz von Latex-, Weizen- und Cannabis-Einzelallergenen in der molekularen Allergiediagnostik.
Eva Zahradnik, IPA, stellte das Projekt des IPA zur Allergenquantifizierung an Arbeitsplätzen und der Ermittlung von Referenzwerten in Haushalten vor. Innenräume – auch im beruflichen Umfeld – können durch Milben, Tierhaare und Schimmel belastet sein. Bei der Ermittlung der Allergenbelastung im beruflichen Umfeld stellt sich die Frage, inwieweit die dort gemessenen Allergen-Konzentrationen hoch oder niedrig sind – im Vergleich zu Expositionen im privaten Umfeld. Für den Vergleich der Allergenbelastung liegen bislang keine Referenzwerte vor. Bei der vom IPA durchgeführten Studie werden in privaten Haushalten Luftstaubproben sowohl personengetragen als auch stationär gesammelt. Nach Auswertung der Daten sollen diese als Referenzwerte zur Beurteilung der Belastung an Arbeitsplätzen dienen. Gleichzeitig werden im noch laufenden Projekt auch neue Sammelmethoden für Luftstaubproben validiert (IPA Journal 02/2024).
Die allergene Belastung durch Schimmelpilze sowohl in der Umwelt als auch im Beruf birgt ein erhöhtes Risiko für Atemwegserkrankungen und -infektionen. Dr. Sabine Kespohl und Prof. Monika Raulf, beide aus dem IPA , berichteten über die aktualisierte S2k-Schimmelpilz-Leitlinie und gingen der Frage nach, was bei Personen mit dem Verdacht auf eine Schimmelpilzallergie getestet werden sollte. Die Referentinnen stellten klar, dass alle rund 120.000 bekannten Schimmelpilze potenzielle Allergieauslöser sein können. Aufgrund der Vielfalt stelle dies die Schimmelpilzdiagnostik vor große Herausforderungen, zumal die Herstellung von Testsubstanzen sehr aufwändig ist und es nur eine begrenzte Anzahl von Allergenextrakten gibt. Vorgestellt wurden dabei auch zwei Studien des IPA, die sich mit der Qualitätsanalyse von Schimmelpilzextrakten und der Untersuchung zur Assoziation zwischen Schimmelpilzexposition und respiratorischen Symptomen beschäftigen (LINK).
Die Diagnostik des allergischen Berufsasthma erfolgt in mehreren Stufen, wobei der spezifische inhalative Provokationstest als Goldstandard gilt. Dr. Vera van Kampen, IPA, ging in ihrem Vortrag auf die Problematik der falsch-positiven beziehungsweise falsch-negativen Ergebnisse ein. Letzteres kann bei Beschäftigten auftreten, die länger nicht mehr gegenüber dem Allergen exponiert waren. Hier bietet sich die serielle Messung des fraktionierten exhalierten Stickstoffmonoxids (FeNO) als weiterer objektiver Baustein für die Diagnostik bei fehlendem oder unklarem Provokationstest an.
Eine Studie des IPA untersucht Versicherte der BGW mit einer anerkannten BK-Nr. 3101 nach einer COVID-19 Erkrankung und anhaltenden Beschwerden. Ziel ist es, Zusammenhänge zwischen den aktuellen Beschwerden und dem Immunstatus aufzudecken. Dr. Verena Liebers, IPA, stellte die ersten Ergebnisse zu den Entzündungs- und Oberflächenmarkern im Verhältnis zu den Symptomen vor. Bisheriges Fazit: Bei Patienten mit einem PostCOVID-Syndrom scheint das Immunsystem aus der Balance gekommen zu sein.
Wie können Biomarker bei anhaltenden Beschwerden nach einer SARS-CoV-2-Infektion mit dazu beitragen, die Erkrankung besser zu charakterisieren? Dieser Frage gingen Dr. Georg Johnen und Dr. Jan Gleichenhagen, beide aus dem IPA, in ihrem Vortrag nach. Eine große Herausforderung bei der Identifizierung möglicher Biomarker bei einem PostCOVID-Syndrom ist die Symptomvielfalt bei den betroffenen Patienten. Deshalb wurden bereits am IPA verschiedene Biomarker untersucht, die sich jedoch als nicht erfolgversprechend erwiesen. Schwerpunkt der Forschung am IPA ist zurzeit die mögliche Bedeutung von Autoantikörpern als Biomarker für das PostCOVID-Syndrom. Am erfolgversprechendsten scheint dabei die Kombination verschiedener Biomarker zu sein.
Prof. Monika Raulf resümierte in ihren Schlussworten, dass ein gezieltes, gemeinsames und vernetztes Vorgehen der im Arbeitsschutz tätigen Akteurinnen und Akteure wichtig ist. Insbesondere wenn es darum geht, die Herausforderungen und Handlungsfelder infolge des Klimawandels und seiner direkten und indirekten Auswirkungen auf die Arbeits- und Bildungswelt zu identifizieren. Wichtig sei aber auch die bedarfsgerechte Weiterentwicklung von Präventionsleistungen und die Unterstützung der Betriebe in ihrer Arbeit. Dies gelinge nur mit einer proaktiven, zielgerichteten und praxisnahen Forschung.
Prof. Dr. Monika Raulf
Dr. Monika Zaghow
IPA