Untersuchung von Gehörschutzstöpseln am Kunstkopf als Vergleichsverfahren im Rahmen von Modul C2-Überwachungen

Projekt-Nr. IFA 4246

Status:

abgeschlossen 12/2021

Zielsetzung:

Ziel des Projekts war die Entwicklung und Validierung eines geeigneten akustischen Messverfahrens für Gehörschutzstöpsel am Kunstkopf und damit eine erhebliche Reduktion des bisherigen Zeitaufwandes bei Modul C2-Überwachungen [Modul C2: "Konformität mit dem Baumuster auf der Grundlage einer internen Fertigungskontrolle mit überwachten Produktprüfungen in unregelmäßigen Abständen", Persönliche Schutzausrüstungen (PSA)-Verordnung (EU) 2016/425, Anhang VII].

Die PSA-Verordnung ordnet Gehörschutz als PSA der Kategorie III (Schutz vor Risiken, die zu sehr schwerwiegenden Folgen wie Tod oder irreversiblen Gesundheitsschäden führen können) ein. Dadurch sind jährliche Überprüfungen der Produkte nach Modul C2 oder eine Qualitätssicherung, bezogen auf den Produktionsprozess (Modul D, Anhang VIII, PSA-Verordnung), vorgeschrieben. Eine Überwachung nach Modul C2 beinhaltet physikalische und akustische Teilprüfungen, die meist den Verfahren der ursprünglichen Baumusterprüfung durch eine notifizierte Stelle entsprechen. Dies geschieht, um die Einheitlichkeit der Fertigung und die Konformität der PSA mit dem in der EU-Baumusterprüfbescheinigung beschriebenen Baumuster und mit den geltenden grundlegenden Gesundheitsschutz- und Sicherheitsanforderungen zu prüfen.

In diesem Projekt ging es um die akustische Prüfung im Rahmen von Modul C2-Überwachungen, die eine Aussage über Abweichungen in der Schutzwirkung (Schalldämmung) der Prüfmuster aus den verschiedenen Jahren erlaubt. Bei Kapselgehörschützern und Helm-Kapsel-Kombinationen wird diese bereits an einem Kunstkopf als Relativmessung (mit und ohne Gehörschutz) durchgeführt. Das daraus resultierende Messergebnis wird mit den entsprechenden Werten aus der Baumusterprüfung abgeglichen. Gehörschutzstöpsel hingegen werden aktuell für Modul C2 durch Messungen an Probanden verifiziert. Die Messung von Gehörschutzstöpseln am Kunstkopf wird bisher nicht eingesetzt, da diese Methode noch nicht etabliert ist. Insbesondere ist die Messunsicherheit (Wiederholpräzision, Vergleichspräzision) nicht ausreichend quantitativ bekannt.

Der Umfang der Messungen in diesem Projekt und das Vorgehen beruhten auf einer Abstimmung im Rahmen der VG 4 (Vertical Group 4 "Gehörschützer" des Horizontalen Komitees der europäischen notifizierten Stellen für PSA, der Koordinierung der Notifizierten Stellen nach Artikel 36 der PSA-Verordnung). Die Ergebnisse dieses Projekts unterstützten die Abstimmung und eventuell die Festlegung von Verfahren in der VG 4.

Aktivitäten/Methoden:

Es wurden zwei verschiedene Gehörschutzstöpselarten untersucht: Lamellen- und Schaumstoffstöpsel. Für die Untersuchung wurden jeweils Gehörschutzstöpsel desselben Produkts aus verschiedenen Jahren (verschiedene Produktionschargen) verwendet.

Die Methodik der Messung wurde an den PTB-Bericht "Insertion loss of ear-plugs, measured on new versions of two commercially available head and torso simulators" (J. Wargowske et al., 1995) angelehnt. Untersucht wurden hier jedoch hauptsächlich Vergleichswerte zwischen verschiedenen Chargen von Gehörschutzstöpseln. Es war nicht das Ziel, die Schalldämmung nach dem REAT-Verfahren ("Real Ear Attenuation" – Baumusterprüfungs-Standardmessung nach ISO 4869-1 erforderlich für alle Gehörschützer) quantitativ nachzubilden, was mit dem vorliegenden Aufbau nicht möglich ist.

Für die Messung wurde der Kunstkopf 45CA (Fa. GRAS Sound & Vibration) mit Ohrkanalsimulatoren nach EN 60318-4 und ohne Pinna (Ohrmuschel) verwendet. Der Kunstkopf wurde durch die Bestimmung der Eigenschalldämmung und des Grundrauschens akustisch charakterisiert, um den Messbereich der Schalldämmung des Verfahrens definieren zu können. Als Messraum fungierte der Hallraum des IFA und als Messgeräusch diente "Rosa Rauschen" (spezielles Rauschen, dessen Amplitude mit steigender Frequenz wie 1/f abnimmt) von 100 Hz bis 10 kHz (Terzen) bei 110 dB(A).

Nach Abschluss der Messungen erfolgte eine statistische Auswertung, in der die Messergebnisse der jeweiligen Gehörschutzstöpselarten verschiedener Produktionschargen miteinander verglichen wurden. Wichtige Faktoren waren hierbei die Reproduzierbarkeit der Messergebnisse in Bezug auf das Einsetzen der Stöpsel in den Ohrkanalsimulator, die Charakteristika verschiedener Stöpselprodukte, die Vergleichbarkeit von Produktionschargen und die Messempfindlichkeit für Produktänderungen.

Ergebnisse:

Es wurden insgesamt 620 Messungen mit verschiedenen Gehörschutzstöpselarten durchgeführt, aus denen 26 040 Einzelergebnisse resultieren (zwei Ohrkanalsimulatoren, 21 Frequenzen). Dabei wurden vier Lamellenstöpselprodukte und sechs Schaumstoffstöpselprodukte untersucht. Voraussetzung für eine funktionierende Kunstkopfmessung ist, dass die Stöpselart von ihrer Form her in den Ohrkanalsimulator passt und reproduzierbar eingesetzt werden kann. Nicht alle Lamellenstöpselprodukte passten in den Ohrkanalsimulator des Kunstkopfes. Alle Gehörschutzstöpselprodukte wiesen eine bestimmte Messcharakteristik auf. D. h., sie ließen sich voneinander unterscheiden.

Schaumstoffstöpsel wiesen eine hohe Streuung der Messwerte auf. Dies könnte zum einen daran liegen, dass das Einsetzen von Schaumstoffstöpseln deutlich variabler ist als das von Lamellenstöpseln, da sie nicht vorgeformt sind. Zum anderen könnte die Dämmwirkung des Materials bei einzelnen Frequenzen durch das Verformen der Stöpsel beim Einsetzen beeinflusst werden. Für eine abschließende Beurteilung sind hierzu wesentlich umfangreichere Messungen notwendig. Über das weitere Vorgehen in Bezug auf Schaumstoffstöpsel wird im Rahmen der VG 4 (Vertical Group 4 "Gehörschützer" des Horizontalen Komitees der europäischen notifizierten Stellen für PSA, der Koordinierung der Notifizierten Stellen nach Artikel 36 der PSA-Verordnung) beraten, daher können hier keine weiteren Angaben dazu gemacht werden.

Lamellenstöpsel lieferten reproduzierbare Ergebnisse. Veränderungen am Produkt, wie z. B. der Austausch oder die Veränderung eines Filters, ließen sich zwischen verschiedenen Chargen und Produktvarianten eindeutig an signifikanten Frequenzunterschieden erkennen. Es ist noch unklar, inwiefern sich dies auf die Schutzwirkung des Produktes auswirkt. Dazu sind ebenfalls weitere Untersuchungen notwendig. Zeigt die Kunstkopfmessung verschiedener Produktchargen keine statistisch signifikanten Abweichungen des Frequenzverlaufs, ist das Produkt als baugleich anzusehen. In diesem Fall ist der Zeitaufwand für Modul C2-Überwachungen deutlich geringer, da auf eine Messung mit Probanden verzichtet werden kann.

Die Projektergebnisse und Empfehlungen daraus werden im Nachgang des Projekts dem Sachgebiet Gehörschutz und der VG4 sowie im Rahmen der Akustik-Tagung DAGA 2022 vorgestellt.

Stand:

23.03.2022

Projekt

Gefördert durch:
  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV)
Projektdurchführung:
  • Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA)
Branche(n):

-branchenübergreifend-

Gefährdungsart(en):

Lärm/Vibrationen

Schlagworte:

Lärm, Prüfverfahren, Persönliche Schutzausrüstung

Weitere Schlagworte zum Projekt:

Modul C2, Kunstkopf, VG 4, PSA

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