Prävention und Behandlung von arbeitsbedingten Muskel-Skelett-Erkrankungen durch ein ganzheitliches Verständnis biomechanischer und psychosozialer Faktoren in der beruflichen und klinischen Praxis

Projekt-Nr. IFA 4243

Status:

laufend

Zielsetzung:

Trotz beständig zunehmender Erkenntnisse auf dem Gebiet der Arbeitswissenschaft und einer Vielzahl groß angelegter Initiativen bleibt der Anteil der von Muskel-Skelett-Erkrankungen verursachten Arbeitsunfähigkeitstage mit etwa 25 % in den letzten zehn Jahren auf einem hohen Niveau.

Grundlegend lassen sich die einzelnen Risikofaktoren arbeitsbedingter Muskel-Skelett-Beschwerden (aMSB) und Muskel-Skelett-Erkrankungen (aMSE) in drei Kategorien einteilen: physische Expositionen, psychosoziale Stressoren und individuelle Faktoren. Konkret beinhalten physische Risikofaktoren u. a. die Einwirkung von externen Kräften, Repetition und Körperzwangshaltungen. Viele physische Risikofaktoren für die Entstehung von aMSB und aMSE sind bereits bekannt, werden aber häufig nur qualitativ erfasst. Darüber hinaus konzentrieren sich die meisten biomechanischen Studien bei der Analyse von Belastungsparametern vorrangig auf bestimmte Körperregionen. Folglich werden mögliche Interaktionen zwischen den Belastungsparametern (z. B. Kombinationswirkung zwischen asymmetrischer Bewegungsausführung und Krafteinwirkung) und zwischen den Körperregionen (z. B. Belastungsverschiebung auf andere angrenzende Körperregionen durch Variationen von Tätigkeitsausführungen und Lastgewichten) nur selten einbezogen. Für eine nachhaltige Prävention von aMSB und aMSE bedarf es demnach weiterer Erkenntnisse, aus denen quantifizierbare Belastungsfaktoren und Interventionsansätze bezüglich der relevanten Einflussfaktoren abgeleitet werden können. Aus diesen Gründen erscheint es vielversprechend, den Fokus auf die Erforschung der einzelnen Risikofaktoren für aMSB und aMSE und die damit in Zusammenhang stehenden Belastungsfaktoren zu legen. Die daraus potenziell ableitbaren Präventionsmaßnahmen können in Unternehmen gut umgesetzt werden.

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Verbundprojekt workHealth zur „Prävention und Behandlung von arbeitsbedingten Muskel-Skelett-Erkrankungen durch ein ganzheitliches Verständnis biomechanischer und psychosozialer Faktoren in der beruflichen und klinischen Praxis“ findet in Zusammenarbeit eines interdisziplinären Forschungsverbundes aus den Disziplinen Medizin, Orthopädie, Physiotherapie, Biomechanik, Gesundheitspsychologie, Ergonomie und Arbeitswissenschaft statt. Der Fokus des Verbundprojektes liegt zunächst auf Tätigkeiten, die insbesondere die drei Lokalisationen Lendenwirbelsäule, Hüfte und Knie belasten. Im Sinne der ganzheitlichen Betrachtung werden die auftretenden biomechanischen Belastungen über die Fokussierung auf die entsprechenden Körperregionen hinaus am ganzen Körper ermittelt. Die Mitarbeit des IFA konzentriert sich auf die Beteiligung an zwei Teilprojekten (TP).

Die Identifizierung, Erfassung und Analyse von physisch belastenden Tätigkeiten ist Inhalt des TP4. Die Bearbeitung erfolgt in Zusammenarbeit mit der Klinik für Anästhesiologie der Universitätsmedizin der Georg-August-Universität Göttingen. Das TP6 wird in Zusammenarbeit mit dem Institut für Arbeitswissenschaft der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, der Klinik für Orthopädie des Universitätsklinikums Aachen und der Audi AG durchgeführt. Ziel ist die Weiterentwicklung von Methoden zur kontinuierlichen Datenerfassung und direktem Biofeedback zur Belastung menschlicher Gelenke über berechenbare (Belastungs-)Zustände wie Gelenkwinkel, Gelenkmomente, Körperhaltungen und Bewegungsgeschwindigkeiten.

Mit den beiden TP soll ein maßgeblicher Beitrag zur Weiterentwicklung, Erprobung und Optimierung von (bestehenden) messwertbasierten Gefährdungsbeurteilungen arbeitsbedingter physischer Expositionen (CUELA-Verfahren: Computer-Unterstützte Erfassung und Langzeit-Analyse von Belastungen des Muskel-Skelett-Systems), von Interventionsmaßnahmen (inkl. Exoskelette) zur Reduktion biomechanischer oder psychosozialer Überlastungen sowie von Präventionsansätzen zum Transfer der Erkenntnisse in die betriebliche Praxis geleistet werden.

Aktivitäten/Methoden:

In TP4 werden Arbeitsplätze mit industriellen Tätigkeiten ausgewählt, die aufgrund ihrer besonderen spezifischen Aufgaben für eine bestimmte Körperregion als besonders belastend gelten.

In Labor und Feldstudien sollen kritische Belastungen des Muskel-Skelett-Systems identifiziert, analysiert und mit aMSB korreliert werden, wobei die gleichzeitig ermittelten individuellen psychosozialen und physischen Faktoren einbezogen werden. Die Auswahl der Tätigkeiten basiert auf Erkenntnissen und Daten aus bereits vorhandenen Expositionsdaten des IFA (CUELA-Daten) sowie aus einer aktuellen Literaturrecherche. Zusätzlich sollen gemeinsame Muster gesucht werden, die ggf. einen Rückschluss auf die Exposition bei weiteren ähnlichen Tätigkeiten zulassen.

Während der vorgeschalteten Laborphase werden die extrahierten Tätigkeiten und ihre Hauptmerkmale nachgestellt, um ein erweitertes Belastungsprofil der Tätigkeit erfassen und beschreiben zu können. Hauptziel der Laboruntersuchung ist eine möglichst präzise Erfassung der körperregionenübergreifenden biomechanischen Belastungsfaktoren. Die Körperbewegungen und externen Reaktionskräfte werden mittels eines markerbasierten Bewegungserfassungssystems (inkl. Kraftsensoren) erfasst. Die an und in den Gelenken auftretenden biomechanischen Belastungen werden (auf Basis von Kraft-/Drehmoment-Zeitverläufen) unter Verwendung digitaler Menschmodelle berechnet. Zusätzlich sollen die Variationen der Tätigkeitsausführung (z. B. Lastannahmehöhe, Lastablagehöhe, Ausführungsarten und -geschwindigkeiten) hinsichtlich ihres Einflusses auf das Belastungsprofil untersucht werden. Auch technische Interventionsmaßnahmen, wie der Einsatz von Exoskeletten, werden berücksichtigt. Im Gegensatz zu Laboruntersuchungen ermöglichen die Feldmessungen die Untersuchung der Belastungsfaktoren unter realen Bedingungen. Die bei der untersuchten Tätigkeit auftretenden biomechanischen Belastungen unterschiedlicher Körperregionen werden mithilfe des mobilen Bewegungserfassungs- und Analysesystems CUELA ermittelt und mit den vom Projektpartner ermittelten psychosozialen Belastungen in einen Zusammenhang gebracht.

Im TP6 werden die Anforderungen an mobile Motion Capture Systeme durch Interviews und Workshops mit den Projektpartnern gesammelt und in ein Pflichtenheft übersetzt. Die Optimierung und Validierung der mobilen Systeme (z. B. CUELA) für den Einsatz in der beruflichen Praxis erfolgt je nach Anforderung mit der entsprechend vorhandenen Messtechnik, z. B. Vicon-System.

Stand:

05.05.2021

Projekt

Gefördert durch:
  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV)
  • DLR - e. V. Projektträger Bonn
  • Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
Projektdurchführung:
  • Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA)
  • Klinik für Anästhesiologie der Universitätsmedizin der Georg-August-Universität Göttingen
  • Institut für Arbeitswissenschaft der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen
  • Klinik für Orthopädie des Universitätsklinikums Aachen
  • Julius Wolff Institut Charité - Universitätsmedizin Berlin
Branche(n):

-branchenübergreifend-

Gefährdungsart(en):

Arbeitsbedingte Erkrankungen, Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren, Handhabung von Lasten

Schlagworte:

Muskel-Skelett-Erkrankungen (außer Krebserkrankungen), Ergonomie, Prävention

Weitere Schlagworte zum Projekt:

Muskel-Skelett-Erkrankungen, Muskel-Skelett-Belastungen, biomechanische Belastungsfaktoren, physische Risikofaktoren, Gefährdungsbeurteilung, messwertbasierte Bewertungsverfahren, CUELA, digitale Ergonomie, Exoskelett, Prävention, psychosoziale Risikofaktoren

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