Die Unfallversicherung muss in die Digitalisierungsstrategie einbezogen werden

  • Elektronische Patientenakte auf einem Tablet

Frau Höller, laut Digitalgesetz der Bundesregierung, wird 2025 die elektronische Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Versicherten eingerichtet. Was kann man sich darunter vorstellen?

In der ePA können medizinische Befunde und Informationen aus Untersuchungen und Behandlungen gespeichert werden – und das eigentlich schon seit 2021. Die Anwendung war aber bisher freiwillig und wurde selten genutzt, daher wird nun auf das sogenannte Widerspruchsverfahren – Opt-out – umgestellt. Das heißt, wer die Akte nicht nutzen möchte, muss widersprechen.

Kann die ePA die medizinische Versorgung der rund 65 Millionen gesetzlich Unfallversicherten optimieren?

Sie macht die Versorgung der Patientinnen und Patienten einfacher, transparenter und noch sicherer. Gerade im System der Unfallversicherung arbeiten viele Beteiligte zusammen. Da die Unfallversicherung alle Leistungen aus einer Hand erbringt, gibt es bereits weniger hemmende Schnittstellen. Trotzdem kann der digitale Austausch der Daten etablierte Verfahren weiter beschleunigen. Und das ist im Interesse aller. Denn wir wollen ja schnell und sicher handeln, damit die Patientinnen und Patienten schnellstmöglich wieder umfassend am Leben teilhaben können.

Welche Anforderungen hat die gesetzliche Unfallversicherung an die ePA?

Vorrangig geht es darum, die medizinischen Berichte der gesetzlichen Unfallversicherung auch in die ePA zu integrieren. Zusätzlich wäre aus unserer Sicht auch ein Zugriffsrecht für alle Leistungserbringer der Unfallversicherung zielführend. Darüber hinaus sollte diskutiert werden, ob eine Filtermöglichkeit für die Behandlung durch die Unfallversicherung in der Akte eingeführt wird.

Warum ist es wichtig, die gesetzliche Unfallversicherung bei Umsetzung der Infrastruktur einzubinden?

Wichtig ist ein ganzheitlicher, bereichsübergreifender Blick auf das Gesundheitswesen, damit die Digitalisierungsvorhaben ihr volles Potenzial zum Wohle der Patientinnen und Patienten entfalten. Deswegen sollten die Unfallversicherung und deren Besonderheiten unbedingt mitgedacht werden. Die Unfallversicherung arbeitet mit Leistungserbringern des Gesundheitswesens eng zusammen, vor allem auch mit solchen, die an spezielle Qualifikationen und auch Zulassungen gebunden sind – wie beispielsweise Durchgangsärztinnen und -ärzte und berufsgenossenschaftliche Kliniken. Diese Besonderheiten müssen in der Infrastruktur berücksichtigt werden. Denn Informationen über Behandlungen in Folge von Arbeits-, Wege- oder Schulunfällen oder Berufskrankheiten und die damit verbundenen Diagnosen, Operationen oder Medikation sind sinnvollerweise auch in der elektronischen Patientenakte enthalten. So lassen sich beispielsweise Wechselwirkungen von Medikamenten noch umfassender ausschließen oder Endprothesen bereits bei der Verordnung von Physiotherapie berücksichtigen. Dies stellt aus Sicht der DGUV eine zentrale Verbesserung für alle Beteiligten im Vergleich zum Status quo dar.

Das elektronische Rezept (E­Rezept) soll nächstes Jahr kommen und Videosprechstunden sollen umfassender eingesetzt werden. Was bedeutet diese Entwicklung für die gesetzliche Unfallversicherung?

Wir begrüßen diese Vorhaben, denn sie alle haben das Potenzial, die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu verbessern. Uns ist wichtig, dass bei den aktuellen Entwicklungen darauf geachtet wird, dass die technischen Verfahren auf Basis von Normen zusammenwirken. Bereits heute erbringen die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung telemedizinische Leistungen und entwickeln darüber hinaus eigene digitale Gesundheitsanwendungen wie beispielsweise zur Reha-Nachsorge. Auch ist der überwiegende Teil der Leistungserbringer in der gesetzlichen Unfallversicherung bereits an die Telematikinfrastruktur angeschlossen. Es sollten keine Doppelstrukturen entstehen und unnötige Mehrkosten vermieden werden.

Wie wird sich die gesetzliche Unfallversicherung in die Gesetzesvorhaben einbringen?

Wir haben gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales deutlich betont, dass wir bei der weiteren Entwicklung und Umsetzung zu beteiligen sind. Aufgabe der gematik wird es sein, uns aktiv bei der Umsetzung zu unterstützen.

Am 15. November fand eine Anhörung im Gesundheitsausschuss zum "Gesetz zur Förderung der Digitalisierung im Gesundheitswesen" statt. Die DGUV hat sich als Sachverständige beteiligt und eine Stellungnahme eingereicht.

Stellungnahme der DGUV (barrierefrei)

Im Interview: Dr. Edlyn Höller, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der DGUV

Dr. Edlyn Höller

Zwei Gesetzesentwürfe sollen die Digitalisierung in der Patientenversorgung stärken: